Eine Ära geht zu Ende – oder doch nicht?
Mehr als 20 Jahre war der Rethemer Gospelchor nicht nur eine musikalische Formation, sondern mehr noch eine gesellschaftliche Institution, die aus Rethem nicht wegzudenken war. Das Ensemble kann vielleicht sogar als Aushängeschild der Allerstadt bezeichnet werden. Zeitweilig umfasste der Chor, zusammen mit seiner herausragenden Begleitband, 70 Mitglieder. Darauf, dass bei jedem Konzert an die 40 von ihnen bereitstanden, konnte gesetzt werden.
Auch die ständige Fluktuation, das Ausscheiden bewährter Kräfte und der Zugang von Neuen jeglicher Altersklasse konnte die Rethemer nicht aus dem Tritt bringen und über allem schwebte, sozusagen als schützender Schild, der Chorleiter mit seinem „Elferrat“.
Die Rethemer überzeugten nicht nur durch Quantität, auch in qualitativer Hinsicht gab es in Rethem nichts Ebenbürtiges, sieht man einmal vom Spielmannszug des Schützenvereins ab.
Nach über 20 Jahren als Chorleiter hat Jens-Uwe Meyer, in letzter Zeit zusammen mit Annika Meyer, mehr als seine Schuldigkeit getan, wenn auch der Abschied von seinen Sängern und Sängerinnen etwas trotzig ausfiel.
Die hatten für einen Aufdruck auf ein T-Shirt, das ihm anlässlich seiner Verabschiedung überreicht wurde, einen ungewöhnlichen Spruch gewählt: „Dann geh doch!!“
Wollen sie erreichen, dass er doch noch einmal umkehrt? „Ich bin ja nicht aus der Welt“, erklärte der Chef. „Ich trete nur in die Chorgemeinschaft zurück. Ich will endlich auch einmal singen.“
So mancher wird heimlich eine Träne verdrückt haben, besonders beim Rückblick auf die vielen Highlights der zwei Jahrzehnte.
Vermissen werden der Chor und die Fangemeinde auch die Begleitband (Schlagzeug Mario Richter, Bassgitarre Gerd Osthoff, Keyboard Dennis Köther, Gitarre Jochen Kaiser). Aufgrund beruflicher Veränderungen, neuer Wohnorte und ein Stück weit auch dem Alter geschuldet, muss der Chor künftig leider auf seine Musiker verzichten.
Beim Abschlusskonzert am Samstag gab es viel Interaktion und Kommunikation mit dem Publikum. Die Veranstaltung wurde so zu einem Rückblick in doppelter Hinsicht. Denn die Zuhörer erfuhren nicht nur viel aus der 23-jährigen Historie des Chores, es gab auch einen räumlichen Rückblick. Der über 50-köpfige Chor hatte, wie immer bei seinen Auftritten in Kirchwahlingen, im Eingangsbereich Stellung bezogen. Um nicht im Rücken des Publikums zu singen, wurde das Gestühl kurzerhand umgedreht, sodass sich Chor und Publikum sehen konnten – ein gelungener atmosphärischer Schachzug.
Durch die vielen Wortbeiträge, Danksagungen, guten Wünsche und Loblieder wurde aus dem bloßen Konzert ein richtiges Event. 90 Minuten und über 20 Lieder waren eingeplant. Als der Chor zum Abschluss „Shine your Light“ in der Version des Osloer Gospelchores anstimmte, waren sage und schreibe drei Stunden wie im Fluge vergangen.
Und nun die große Leere? Spargelmarkt ohne den Gospelchor? Beim Weihnachtsmarkt waren die Sänger stets dabei, beim Sommerfest des Heidehortes in Altenwahlingen.
An die Ferienfreizeiten denken alle gern zurück, bei denen es die Sänger bis nach Suhlendorf, Wittweitzen, die Lüscher Forst (zwischen Celle und Uelzen), nach Sahlenburg und bis nach Rostock und in die Bakkumer Mühle bei Lingen verschlug.
Ganz abgesehen von den Auftritten bei Jubiläen, der Mitternachtsmesse an Heiligabend und zahllosen Hochzeiten. Dazu kommen Konzerte in der näheren und weiteren Umgebung, die nicht alle aufgezählt werden können.
Und das soll nun vorbei sein? Es gibt einen Lichtblick. Mit Insa Heimsoth haben die Rethemer ganz überraschend jemanden aus dem Hut gezaubert. Sie traut es sich zu, auf den Spuren von Jens-Uwe Meyer weiterzuwandeln. Ob sich am Repertoire des St. Marien Gospel-Trains etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.
Doch der Blick geht nach vorne. Bereits Anfang Mai soll es mit den Chorproben weitergehen.
Von Fritz Bätje